Martin Treberspurg an BOKU verabschiedet
Am 17. Jänner 2019 lud die BOKU zur Abschiedsvorlesung und Buchpräsentation von Univ. Prof. Arch. Dipl.-Ing. Dr. Martin Treberspurg mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema „Global Change: Wie wir in Zukunft bauen“. Treberspurg verweist in seiner Rede auf die Notwendigkeit eines Systemumbruchs im Bausektor und richtet einen dringenden Appell an die Politik. Fotocredits Titelfoto: v.l.n.r. – © BOKU
Mit einem Einblick in die Tätigkeit der letzten 14 Jahre der Arbeitsgruppe „Ressourcenorientiertes Bauen“ an der Universität für Bodenkultur (BOKU) und einem Ausblick, wie man den Herausforderungen des Klimawandels beim Bauen begegnen kann, schloss Martin Treberspurg seine langjährige Lehrtätigkeit an der BOKU ab. Als einer der österreichischen Pioniere des nachhaltigen und solaren Bauens hat Treberspurg mit seiner Erfahrung als Architekt wesentliche Lösungen zum nachhaltigen Bauen erarbeitet und an der BOKU mit seiner Arbeitsgruppe zahlreiche praxisrelevante Forschungsbeiträge geliefert. In der Praxis plant und baut Treberspurg in seinem Architekturbüro Treberspurg & Partner Architekten gemeinsam mit seinen vier Partnern – einer davon ist sein Sohn Mag. Christoph Treberspurg – weiterhin zukunftsfähige Gebäude.
Welcher Ort ist geeigneter über nachhaltiges Bauen zu sprechen, als jener, an dem die Abschiedsvorlesung von Martin Treberspurg vom Institut für Konstruktiver Ingenieurbau / Department für Bautechnik und Naturgefahren an der BOKU stattfand: Dem als Plusenergiehaus konzipierten neue Türkenwirt-Gebäude. Und genau dorthin lud die Universität für Bodenkultur Wien ins Audimax zur Abschiedsvorlesung von Treberspurg.
In diesem Rahmen wurden seine Leistungen der letzten Jahrzehnte gewürdigt, gilt er doch als Pionier des nachhaltigen Bauens der ersten Stunde. Neben der Buchpräsentation „Ressourcenorientiertes Bauen“, die sowohl Einblick als auch Ausblick über die Forschungstätigkeiten an der BOKU liefert, fand eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Global Change: Wie wir in Zukunft bauen“ statt. In ihrem Vortrag verweist Dr. Doris Österreicher, eine der Mitherausgeberin des Buches neben Dr. Ulla Ertl-Balga und Dr. Martin Treberspurg, auf die Notwendigkeit der Niedrigstenergie-Standards im Neubau und der Sanierung des Gebäudebestands. Österreicher war die letzten Jahre leitend in der Arbeitsgruppe tätig und ist seit Jänner 2019 am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der BOKU.
14 Jahre Arbeitsgruppe Ressourcenorientiertes Bauen an der BOKU
In den letzten beiden Jahrzehnten haben - bedingt durch nationale und internationale Klimaschutzziele - Energieeffizienz und Ressourcenschonung im Bausektor einen hohen Stellenwert erlangt. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, wurde an der BOKU auf Initiative von Professor Konrad Bergmeister vom Institut für Konstruktiver Ingenieurbau eine Professur für Ressourcenorientiertes Bauen ins Leben gerufen, die von Beginn an unter der Leitung von Martin Treberspurg stand. Die Arbeitsgruppe Ressourcenorientiertes Bauen der BOKU hat in den letzten 14 Jahren mit innovativen Architekturkonzepten, Technologien und Materialien den Paradigmenwechsel in der Baubranche mitgestaltet. "Eines meiner größten Anliegen war es, Forschung und Praxis im Bereich des nachhaltigen Bauens zu verbinden“, resümiert Architekt Treberspurg. Die Forschungsschwerpunkte der Arbeitsgruppe lagen im Bereich relevanter Konzepte und Designs für eine klimaadaptive und nachhaltige Architektur und Stadtplanung.
So wurden innovative Ansätze für zeitgemäße Architekturkonzepte geliefert wie beispielsweise das europäische Forschungsprojekt EU-GUGLE. Es fokussiert in einem Smart City Kontext auf Sanierungen in Richtung Niedrigstenergiegebäude-Standards in einem Quartier und bildet damit einen wesentlichen Beitrag zur energieeffizienten Modernisierung des Gebäudebestands. Im Projekt AtticAdapt 2050 wurden für die Sanierung von Gemeindebauten Lösungen zur Nachverdichtung in Holz-Leichtbauweise entwickelt, mit dem Ziel, den steigenden Wohnraumbedarf in Städten mit Bestandsbauten nachhaltig abzudecken. Beim Forschungsprojekt PV-Dachgarten wurde die Dachbegrünung und Nutzung der Dachflächen mit der Integrierung von erneuerbaren Energien durch die Schaffung einer symbiotischen Konstruktion von Photovoltaik und Bepflanzung verbunden.
Podiumsdiskussion über nachhaltige Bildungs- und Wohnbauten
Was nachhaltige Bildungs- und Wohnbauten in Österreich leisten müssen, war das große Thema der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Treberspurg verweist in seiner Rede auf die Zukunft und richtet einen dringenden Appell an die Politik: „Wir müssen die Zeit jetzt intensiv nutzen. Die nächsten zehn Jahre werden hier entscheidend sein, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Dazu haben wir gemeinsam mit den Kollegen des Ausschusses „Nachhaltiges Bauen“ der Architektenkammer einen Maßnahmenkatalog „mission 2030 konkret“ erarbeitet und der Politik präsentiert.“ Generalsekretär DI Josef Plank vom Bundeministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus begrüßt die Initiative der Architektenkammer und bekundet großes Interesse an der weiteren Zusammenarbeit. Er verweist auf die ehrgeizige bundesweite Klima- und Energiestrategie, wo Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mit Bauträgern, Planern und Architekten von Beginn an integrativ zusammenarbeiten müssen.
„Die Folgen der globalen Erwärmung werden uns stark fordern, wenn uns in Teilen Mitteleuropa die Fichte wegkippt, wird das die Biodiversität und somit unser Leben und Wirtschaften stark verändern“, betont Plank.Der niederösterreichische Landesrat für Wohnbau, Arbeit und internationale Beziehungen Dr. Martin Eichtinger verweist auf innovative Lösungen für den leistbaren Wohnbau. „Wir bauen praktisch flächendeckend geförderten Wohnbau in Niederösterreich. In 9 von 10 Gemeinden stehen geförderte Wohnungen des Landes NÖ. Beim Bauen achten wir zudem auf nachhaltige und ökologische Standards. Im GLOBAL 2000-Wohnbaucheck zählt Niederösterreich zu den Vorreitern unter den Bundesländern.“ Mag. Bernd Vogl, Leiter der Energieplanung MA 20, bezieht sich auf die neue Wiener Bauordnung, die unter anderem das Ziel zur Regulierung der Nutzung fossiler Energieträger hat und erwähnt, dass die Ölheizung und dezentrale Gasheizungen bald Geschichte sein werden. Gemeinsam mit Stadtplanern werden Konzepte schon vor der Planung ausgearbeitet, um das Energiethema stärker in die Planung einzubinden. Zum Thema Hitze in der Stadt erwähnt Vogl geplante Begrünungsmaßnahmen der Stadt Wien und die Notwendigkeit zur Einbindung der Nutzer. Dr. Katharina Kohlmaier, Prokuristin und Leiterin des Universitätsbereichs der Bundesimmobiliengesellschaft BIG, betont, dass besonders im Universitätsbau mehr und mehr nach nachhaltigen Kriterien gebaut werde. Man gehe davon aus, dass sich diese dort sehr dynamische Entwicklung auch zunehmend auf andere Asset-Klassen übertragen werde. Nationale und internationale Wettbewerbe aus dem Forschungsbereich liefern hier interessante Ansätze für den Bildungsbau der Zukunft. In der Schlussdiskussion brachte sie es auf den Punkt: "Die BIG wird in Zukunft nicht ein weiteres Leuchtturmprojekt errichten, sondern nur noch nachhaltige Leuchtturmprojekte errichten!" Und Generalsekretär Josef Plank bestätigte, dass dies bereits ein Vorbote von dem vom BMNT voran getriebenen neuen öffentlichen Beschaffungsgesetz ist, das im März veröffentlicht werden soll, und demnach alle öffentlichen Bauten künftig dem "besten verfügbaren Baustandard" zu entsprechen haben, wie es bereits in der Mission 2030 steht.
Titelfoto: (v.l.n.r. – © BOKU): Dipl.-Ing. Josef Plank, Generalsekretär Bundeministerium f. Nachhaltigkeit und Tourismus; Dr. Martin Eichtinger, NÖ Landesrat für Wohnbau, Arbeit und internationale Beziehungen; Univ.Prof. Arch. DI Dr. Martin Treberspurg, Treberspurg & Partner Architekten; Mag. Bernd Vogl, Leiter der MA 20 Energieplanung; Dr. Katharina Kohlmaier, MRICS CIS ImmoZert, Prokuristin und Leiterin Unternehmensbereich Universitäten, Bundesimmobiliengesellschaft GmbH