Ein Rückblick auf die erste Internationale Passivhaustagung im Online-Format
vom 17. September bis 08. Oktober 2020
Zwei wichtige Botschaften
...vermittelte die Tagung: Energieeffiziente Sanierungen müssen im großen Stil angegangen werden; Bauwillige sollen über die meist unzureichenden gesetzlichen Vorgaben beim Baustandard hinausgehen.
Lob für erstes Online-Format
In diesem Jahr haben die Teilnehmenden ihr Lob für die 24. Internationale Passivhaustagung im Chat ausgedrückt, da diese aufgrund der Corona-Pandemie zum ersten Mal im Online-Format stattgefunden hat. Über 800 Teilnehmer aus 40 Nationen haben die Tagung mit ihren Vorträgen zum energieeffizienten Bauen und Sanieren drei Wochen lang unabhängig von Tages- und Nachtzeiten online verfolgt. Zum Netzwerken konnten sich die Teilnehmenden anschließend im virtuellen Passivhaus-Café treffen.
Mit Freude schauen wir zurück auf wissenschaftliche Vorträge, Gebäudebesichtigungen und die zugehörige informative ONLINE Passivhaus-Fachausstellung. Vielen Dank an alle Referenten, Poster-Referenten, Aussteller und an unsere Partner und Untertützer und nicht zu vergessen vielen Dank an Sie alle, die an unserer 24. Internationalen Passivhaustagung teilgenommen haben!
Klimaschutz und Wohngesundheit
Im Eröffnungsplenum der 24. Internationalen Passivhaustagung erklärt der Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf, dass wir schon lange wissen, dass der Mensch das Klima beeinflussen kann und dass Emissionen global schnell reduziert werden müssten. Die Bedeutung des Passivhaus-Standards für den Klimaschutz verdeutlichte Wolfgang Feist, der vor genau 30 Jahren, im Herbst 1990, das weltweit erste Passivhaus in Darmstadt baute: „Passivhäuser sind aufgrund ihres geringen Energiebedarfs eine Grundvoraussetzung dafür, Gebäude komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Damit kann die Energiewende im Gebäudesektor gelingen. Die Wohngesundheit ist das zusätzliche große Plus, von dem die Bewohner profitieren.“
Dass der Passivhaus-Standard gerade im sozialen Wohnungsbau eine größere Rolle spielen sollte, das verdeutlichte ein Workshop. Projekte aus Tirol, Darmstadt, Hamburg und Berlin belegten, dass sozialer Wohnungsbau mit dem Passivhaus-Standard kostengünstig, energieeffizient und optisch ansprechend umgesetzt werden kann.
Passivhaus funktioniert überall
Inhaltlich spannten die Vorträge zum energieeffizienten Bauen und Sanieren den Bogen über den kompletten Globus. Die Teilnehmenden lernten beeindruckende Passivhaus-Projekte unter anderem in Deutschland und Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland sowie mit China, Thailand, Indien und Saudi-Arabien auch aus Asien kennen. Sie belegen, dass Passivhäuser in allen Klimata realisiert werden können.
Virtuelle Exkursionen luden zu einem Besuch der Gebäude ein. „Passivhäuser funktionieren bei minus 45 Grad Celsius in den Polarregionen ebenso wie bei 37 Grad in Bangkok. Die Teilnehmenden konnten eine große Bandbreite an Projekten kennenlernen – ein großer Vorteil dieser digitalen Tagung.
Verstärkt sanieren
Die erste Kernbotschaft der Tagung: Der Fokus internationaler Bautätigkeiten muss zukünftig noch stärker auf energieeffiziente Sanierungen gelegt werden. Viele Redner, darunter aus Tirol, Glasgow, Vancouver und dem US-Bundesstaat Washington verdeutlichten, dass Neubauten aufgrund des knappen Baulands nur noch begrenzt möglich seien. Sie präsentierten dazu Sanierungsprojekte, die mit der Modernisierung zum EnerPHit-Standard ihren Energiebedarf drastisch gesenkt haben. Für Monte Paulsen, Passivhaus-Experte im kanadischen Britisch-Kolumbien, gehört die zeitnahe Sanierung bestehender Gebäude in den Industrienationen zu den „absoluten Prioritäten, damit die Zivilisation auf diesem Planeten überleben kann.“
Drastische Einsparungen
„Die Einsparung von Heizenergie hängt natürlich vom jeweiligen Gebäude ab, vor allem von seinem bisherigen Verbrauch. In typischen Fällen werden nach vollständiger Sanierung zum EnerPHit-Standard rund 75 Prozent Heizenergie eingespart, bei einigen Objekten liegt die Einsparung sogar bei über 90 Prozent“, erklärt Prof. Wolfgang Feist, Gründer des Passivhaus Instituts. Vermehrt Aufmerksamkeit erhält dabei die serielle Sanierung durch vorgefertigte Bauteile. Sie ermöglicht eine zeitsparende und dadurch kostengünstige Modernisierung. Architekt Stefan Oehler aus Berlin stellte das zukunftsfähige Konzept anhand der seriellen Sanierung von 12 Wohneinheiten aus den 1930er-Jahren in Hameln vor. Die Installation eines großen Dämmelements für die Fassade habe dabei nur 20 Minuten gedauert.
Serielle und maßgeschneiderte Lösungen
Für das energieeffiziente Bauen sind auch maßgeschneiderte Lösungen möglich, wie Marcel Studer und Monte Paulsen aus Kanada verdeutlichten. Im abgelegenen Territorium der Heiltsuk realisierten sie für die First-Nation-Bewohner ein Wohngebäude für das örtliche Klinikpersonal im Passivhaus-Standard. Um den Baustandard der
Wohnhäuser allgemein zu verbessern, bildeten sie die Bewohner zum Thema Energieeffizienz weiter, darunter auch im Bereich Luftdichtheit.
Besser bauen als vorgeschrieben
Die zweite Kernbotschaft der Tagung: Politische Rahmenbedingungen für energieeffizientes und klimafreundliches Bauen müssen strenger sein. Das zeige sich auch an den Vorgaben der Europäischen Union zu Nearly Zero Energy Buildings (NZEB). Häufig spare ein Gebäude im Passivhaus-Standard gegenüber den jeweiligen neuen, nationalen Vorgaben noch vier Mal mehr Energie ein. Bau- und Sanierungswillige sollten daher mit Blick auf Klimaschutz und Wohngesundheit beim Baustandard deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, so die Aufforderung der Keynote-Sprecher. Für die dringend notwendige Energiewende im Gebäudebereich müssten zudem in Ausbildung und Weiterbildung sowohl im handwerklichen wie auch im universitären Bereich intensiviert werden.
ONLINE-Ausstellung
Neu war diesmal auch die virtuelle Version der Passivhaus-Fachausstellung, in der über 40 Aussteller ihre Komponenten für das energieeffiziente Bauen und Sanieren vorstellten. Sie bewerteten die Ausstellung durchweg äußert positiv. Das Passivhaus Institut bot zudem Führungen über die Ausstellung in verschiedenen Sprachen an. Auch das virtuelle Passive House Café war über die Fachausstellung erreichbar. Im Anschluss an die Vortragsreihen nutzen die insgesamt über 800 Teilnehmenden der Tagung die Möglichkeit, sich hier zu begegnen, alte Bekannte wiederzutreffen oder auch neue Gäste kennenzulernen. Diese Möglichkeit nutzten im Laufe der Tagung immer mehr Teilnehmende.
Nächstes Jahr in Wuppertal
Wir freuen uns, bekannt geben zu dürfen: Zusammen mit der EnergieAgentur.NRW lädt das Passivhaus Institut 2021 nach Wuppertal ein. Schirmherr der 25. Internationalen Passivhaustagung ist Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart. Bei dieser Tagung findet auch die Verleihung des Passive House Award 2021 statt. Beiträge dafür können bis zum 1. Juni 2021 eingereicht werden. Seien Sie dabei!